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Expert*innen-Interview: Birgit Fuß - Hinter den Kulissen des Rolling Stone Magazins

Die Journalistin und Autorin Birgit Fuß ist seit 1993 in der Medienbranche tätig. Sie begann als Autorin und wurde schließlich Managing Editor, bei einem der bedeutendsten Musikmagazine überhaupt—dem Rolling Stone. Während ihrer beeindruckenden Laufbahn hat sie über 400 Persönlichkeiten der Rock- und Popwelt interviewt, darunter Größen wie Bruce Springsteen, Bono und Patti Smith. Mit uns sprach sie darüber, wie relevant das Medium Print heute noch ist und was Künstler*innen tun können, um Redakteur*innen auf sich aufmerksam zu machen.

Veröffentlicht am
September 4, 2024
Autor*in
Mario Rossmann
Marketing Manager

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Was ist Dein Hintergrund / Deine Geschichte?

Aufgewachsen bin ich in einem bayrischen Dorf, aber sofort nach dem Abitur, 1991 mit 19 Jahren, nach London ausgebrochen, dann nach Hamburg gegangen - dort begann meine "journalistische Karriere", wie man das so nennt. Ich wollte schon mit 13 Musikjournalistin werden, damals am liebsten noch beim "Metal Hammer" - weil ich Musik so liebe, aber selbst total unmusikalisch bin. Kann nicht mal im Takt klatschen. Also musste ein Beruf her, der mit Musik zu tun hat, aber für den man kein Instrument spielen muss. Und zum Glück stellte sich heraus, dass ich schreiben kann. Mein erstes großes Konzert waren U2, 1987 in der Münchner Olympiahalle, das hat mich ebenso geprägt wie all die Rock- und Metal-Festivals meiner Jugend - und zu Hause in der Dachkammer sitzen und ein Album nach dem anderen hören. Es gab einfach nichts Schöneres. (Von manchen Büchern abgesehen.)

Wie bist Du ins Musikbusiness gekommen?

Als ich 1992 für ein Zeitungspraktikum nach Hamburg ging, konnte ich es kaum fassen, dass die "Hamburger Morgenpost" eine Pop-Redaktion hatte. Dort habe ich angefangen zu schreiben, nebenbei dann Amerikanistik und Journalistik studiert, bei der Agentur Public Address und dem Videotext von VIVA gearbeitet - und dann rief 1998 der ROLLING STONE bei mir an. Seitdem arbeite ich dort. Erst als freie Mitarbeiterin und Korrekturleserin, seit 2000 als Redakteurin. Heute bin ich außerdem Chefin vom Dienst - oder "Managing Editor", wie es jetzt heißt. Ich mag den altmodischen Begriff CvD lieber, er klingt nach mehr Arbeit - was es auch ist.

Wer waren wichtige Unterstützer*innen, Mentor*innen und Partner*innen auf Deinem bisherigen Weg?

Als ich mit 20 bei der "Mopo" anfing, konnte ich praktisch nichts - hatte noch keinen längeren Artikel geschrieben, war schüchtern und unsicher. Die meisten Chefs hätten mich wahrscheinlich übersehen, weil ich mich überhaupt nicht "verkaufen" konnte. Aber mein damaliger Ressortleiter Rüdiger Knopf hat mich motiviert und mir immer mehr Aufträge gegeben - so bin ich reingewachsen. Als ich zum ROLLING STONE kam, war es ähnlich. Ich war (und bin bis heute) die einzige Frau in der Redaktion, doch mein Kollege Arne Willander und auch der damalige Chefredakteur Bernd Gockel haben mir viel zugetraut und erkannt, dass ich nicht nur die nötige Leidenschaft habe, sondern auch fleißig bin. In einer Redaktion, in der Ellenbogen-Ausfahren und Sich-selbst-Präsentieren die wichtigsten Einstiegskriterien sind, wäre ich nicht zurechtgekommen. Ich brauchte schon Menschen, die mich unterstützen - aber wer nicht? Und ich hatte zum Glück viele Kollegen, bei denen es gar nicht um Kategorien wie männlich/weiblich ging, sondern einfach nur um die Liebe zur Musik und zum Schreiben.

Wie sieht Dein Job heute aus?

Als Chefin vom Dienst bin ich beim ROLLING STONE dafür zuständig, dass die Produktion reibungslos läuft... oder zumindest läuft. Am Ende müssen die Seiten mit den korrekt platzierten Anzeigen rechtzeitig bei der Druckerei sein, und am besten möglichst fehlerfrei. Außerdem organisiere und redigiere ich den Plattenteil und bin die Serien-Expertin. Am meisten Freude macht mir immer noch das Schreiben. Ich liebe es, Musiker:innen zu interviewen und daraus einen guten Text zu machen. Am liebsten natürlich eine Titelgeschichte.

Was sind die wichtigsten Skills in Deinem heutigen Job?

Schreiben muss man können, das bleibt für mich immer das Wichtigste. Ich muss natürlich auch gut organisieren können und mit Menschen umgehen - der Kontakt zu all den freien Mitarbeiter:innen gehört für mich mit zum Schönsten im Alltag -, aber der Kern bleibt das Schreiben. Das Sprachgefühl braucht man ja auch fürs Redigieren. Und viel Musikwissen sowieso.

Was waren für Dich die größten Herausforderungen und Learnings bisher? Was waren “Highs” und “Lows”, die Du teilen kannst?

Durch das Internet hat sich die Arbeit natürlich sehr verändert. Ich bin unter anderem von der Tageszeitung zum Monatsmagazin gewechselt, weil ich es angenehmer fand, mehr Zeit für Texte zu haben - das ist jetzt nicht mehr so. Wenn zum Beispiel jemand stirbt, muss sofort ein Nachruf her. Mir fällt es schwer, sofort in den Arbeitsmodus überzugehen, wenn es jemand ist, den ich mochte - bei Lemmy (Motörhead) war das so oder bei Andy Fletcher (Depeche Mode). Dann würde ich gern erst mal ein bisschen trauern. Jenseits von diesen Alltags-Herausforderungen denke ich bei "Highs" und "Lows" vor allem an Interviewsituationen - die sind ja immer das Spannendste. Das erste Mal Bono, Bruce Springsteen oder R.E.M. treffen - und die Erleichterung, dass das wirklich gute Leute sind. Von Lou Reed fast zum Weinen gebracht werden - und dann beim nächsten Interview plötzlich einem freundlichen Mann gegenüber zu sitzen. Ich weiß all diese Begegnungen, auch die schwierigen, zu schätzen, weil ich genau das immer erleben wollte.

Welche Trends siehst Du aktuell in der Musikindustrie, die eine große bzw. wichtige Sache werden könnten?

Momentan ist eher die Frage, wie Musiker:innen überhaupt noch genügend Geld verdienen können, oder? Vor allem wenn sie das hauptberuflich machen und nicht gerade Adele oder Taylor Swift sind. Wie sollen "kleinere" Bands und Labels überleben? Natürlich sind KI und die damit einhergehenden Copyright-Fragen ein großes Thema. Im täglichen Austausch erlebe ich allerdings eher, dass viele Leute sich fragen, wie es weitergehen kann, wenn jetzt auch mit Tourneen kaum noch Gewinn zu machen ist. Denn Alben werfen ja sowieso schon lange kaum mehr etwas ab. Ich wünsche mir einen Trend, der das ändert, aber leider sehe ich ihn momentan nicht.

Was wäre dein Rat an Künstler*innen, die am Anfang ihrer Musikkarriere stehen oder bereits erste Schritte getan haben?

Das Wichtigste zurzeit ist vielleicht, nicht den Fokus zu verlieren. Es wird ja jetzt dauernd alles von allen erwartet - nicht nur Musik zu machen, sondern sie/sich auch selbst zu bewerben, 24/7 auf Social Media. Aber es gibt Leute, denen das gar nicht liegt - und das zu erkennen, ist ein wichtiger Schritt. Ich musste neulich sehr lachen, als Jake Bugg erzählte, er sähe bei Insta-Videos immer aus wie das Opfer einer Geiselnahme. Dann ergibt so eine "Promotion" halt einfach keinen Sinn. Wenn es darum geht, zum Beispiel beim ROLLING STONE beachtet zu werden, würde ich dazu raten, genügend Sorgfalt, Zeit und/oder Geld in ein gutes Info zu investieren (oder, wenn man sich das selbst nicht zutraut, in eine:n gute:n Promoter:in), sich rechtzeitig vor Veröffentlichung mit einem kompletten Album-Stream/Download zu melden (im Print haben wir einen sehr langen Vorlauf, mindestens zwei Monate) und die Verantwortlichen direkt anzuschreiben. Sammel-Mails a la "Liebe:r Musikredakteur:in...." beachtet man natürlich weniger, als wenn sich jemand die Mühe gemacht hat, die richtige Ansprechpartnerin ausfindig zu machen. Und bitte selbstbewusst sein, aber nicht übertreiben! Wenn Leute behaupten, die nächsten Radiohead zu sein, werde zumindest ich sofort misstrauisch.

Vielen Dank für das Interview, Birgit :)

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