Was ist Dein Hintergrund / Deine Story? Wie bist Du ins Musikbusiness gekommen?
Im Allgäu aufgewachsen, bekam ich mit 3 Jahren mein erstes Schlagzeug und wusste eigentlich relativ schnell, dass ich mein Leben mit Musik verbringen möchte. Die ersten Schritte in Richtung Berufsmusiker habe ich dann mit einem Studium zum Musikproduzenten an der Deutschen POP gemacht - wusste aber auch gleich, dass ich wieder hinter das Schlagzeug muss. 2009 habe ich dann beschlossen, nach London zu ziehen und dort einen Bachelor of Popular Music Performance zu machen. In all diesen frühen Jahren war mein damaliger Schlagzeuglehrer Michael Porter (Rhythmpoint Laupheim) absolut ausschlaggebend. Hätte er mich nicht permanent gepusht, hätte ich die Aufnahmeprüfung in London nie geschafft.
In London ging es dann erst einmal darum, vernünftiges Englisch zu lernen und mit dem unglaublichen Niveau der Schlagzeugerinnen dort mitzuhalten. Damals habe ich tatsächlich 6-7 Tage die Woche nur geübt oder mit so vielen Musikerinnen wie möglich 'gejammt'. All diese Verbindungen und Freundschaften führten zu den ersten Auftritten und Aufnahme-Sessions, die zu neuen Bekanntschaften und Empfehlungen führten. So wurde der Kalender nach und nach voller und das Ganze hat mich bis heute in London gehalten.
Wie sieht Dein Job heute aus?
Heute verbringe ich leider nicht mehr viel Zeit am Schlagzeug. Meine Liebe zu Elektronik, Hybrid Drums und schließlich Ableton Live hat über die letzten Jahre wirklich Überhand genommen und ich wurde in der Szene immer mehr dafür bekannt. Deshalb hat sich meine Karriere in den letzten 3 Jahren mehr in Richtung Playback und Backline Tech verschoben. Bei meinem "Haupt-Gig" kümmere ich mich um das gesamte Setup des Künstlers. Das bedeutet, ich programmiere die Instrumente und die damit verbundenen Computer, baue alles auf, teste es vor der Show und überprüfe, dass alles einwandfrei funktioniert. Während der Show überwache ich die Computer und stelle sicher, dass wir eine reibungslose Show haben.
In den fast 3 Jahren, in denen ich jetzt schon mit einem inzwischen sehr bekannten Künstler gearbeitet habe, ist der Gig unglaublich gewachsen - von den ersten Konzerten vor 200 Leuten bis hin zu Touren in Europa, Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland. Andere Playback-Gigs, bei denen ich zwischendurch aushelfe, sind oft etwas einfacher gestrickt und es ist eher eine Frage des Programmierens und dann während der Show die Songs abzufeuern.
Was sind die wichtigsten Skills in Deinem heutigen Job?
Abgesehen von den offensichtlichen Fähigkeiten, die meine Position als Playback/Backline Techniker mit sich bringt - also musikalische Fähigkeiten und detaillierte Kenntnisse aller Software und Hardware, die wir benutzen, sind es die menschlichen Fähigkeiten, die einen von anderen unterscheiden. Zum Beispiel: je größer der Gig, desto mehr Druck. Man muss lernen, damit umgehen zu können und stets - auch mit Jetlag oder wenig Schlaf - professionell und adaptiv zu arbeiten. Jeder Gig, jedes Land, jeder Veranstaltungsort und jedes Venue hat seine eigenen Herausforderungen und Problemlösung ist ein riesiger Teil des Jobs. Bei einer Crew von 60 Leuten muss jedes Glied der Kette einfach funktionieren. All das wird einfacher mit Erfahrung - kann aber am Anfang echt überwältigend sein. Daher ist es meiner Meinung nach super wichtig, "Deine Dinge" zu 200% auf dem Kasten zu haben - nur dann hast du auch wirklich noch etwas Rest-Headspace, um die speziellen und spontanen Herausforderungen zu bewältigen ohne unterzugehen.
Was waren für Dich die größten Herausforderungen und Learnings bisher? Was waren „Highs” und „Lows”, die Du teilen kannst?
Die größte Herausforderung war und ist es, am Ball zu bleiben. Einige der Künstler*innen, mit denen ich arbeite, sind ständig dabei, die Shows weiter zu pushen, und das bringt sehr oft mit sich, neues Equipment oder Software auszuprobieren und gegebenenfalls zu unserem Touring Rig hinzuzufügen. Das bedeutet, ständig neue Dinge zu lernen. Und zwar so im Detail, dass Programmieren, gig-spezifische Anwendung und Troubleshooting alles schnell genug möglich ist, um es auch wirklich live auf der Bühne verwenden zu können. Das kann oft anstrengend sein und ist mit viel Druck verbunden. Das gilt dann auch besonders, wenn ich zum Beispiel bei einem anderen Gig aushelfe. Die verwenden vielleicht ein anderes Playback Rig, als ich gewohnt bin - und sicherlich andere Instrumente - und da dann trotzdem (und oft sehr kurzfristig) wirklich durchzusteigen, ist immer eine Herausforderung. Aber das hält das Ganze ja interessant… ;)
Welche Trends siehst Du aktuell in der Musikindustrie, die eine große bzw. wichtige Sache werden könnten?
Mit den stetig wachsenden Möglichkeiten, die auch junge/neue Künstler zu Hause zur Verfügung haben, werden Gigs - noch mehr als ohnehin schon - auf Elektronik angewiesen sein. Ableton Live ist hier klar der Industriestandard; aber die Rolle von Ableton ändert sich von einer reinen 'Playback-Maschine' zu einem echten Instrument. Viele Künstler*innen, mit denen ich arbeite, haben zum Beispiel kaum mehr akustische Instrumente auf der Bühne; stattdessen nutzen sie MIDI-Controller, die virtuelle Instrumente steuern. Das ermöglicht eine ganz andere Arbeitsweise mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten in Bezug auf Instrumentierung, Sounds und Arrangements. Schon jetzt nutzen viele Bands, von denen man es gar nicht erwarten würde, die Hilfe von Ableton und Software-Trickery. Ich glaube, all das wird immer mehr in diese Richtung gehen.
Was wäre Dein Rat an Musiker*innen, die heute über eine Musikkarriere nachdenken oder bereits erste Schritte getan haben?
Horizont erweitern. Klingt blöd, aber "nur" eine phänomenaler Schlagzeugerin oder Gitarristin zu sein, reicht heute einfach nicht mehr so ganz aus. Du kannst auch Backing Vocals singen? Super, schon spart sich das Management nochmal ein Bandmitglied. Wenn Du dazu noch Ahnung von Musik im weiteren Sinne, Arrangements, Musik programmieren, Backing-Tracks und so weiter hast, kannst Du eventuell die Rolle des MD (Musical Director) erfüllen. Und schon hast Du kreativen Einfluss auf die Show und bist 'Show critical'. Dazu vielleicht noch Ableton-Skills und Du lernst, wie andere Tour-Abteilungen wie Licht und Video damit interagieren und schon öffnest Du noch weitere Türen! Alles, was Du zusätzlich zu deinem Instrument noch mit an den Tisch bringen kannst, ist ein absoluter Bonus!
Danke für das Interview, Tobias :)
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