Was ist eine Schreibblockade?
Eine Schreibblockade (engl. writers block) ist der Albtraum vieler Songwriter*innen. Es gibt diese Momente, an denen Du vor kreativer Energie und Ideen sprudelst. Sie bringen dich an Orte, wo Du dich fragst, wie Du überhaupt hierher gekommen bist, und Du kaum nachkommst, alles festzuhalten. Und dann gibt es die anderen Tage, an denen Du versuchst, aus Melodien, Rhythmen und Textschnipseln etwas zu formen, das einfach nicht zusammenpassen will.
Du sitzt da, das Instrument oder den Stift in der Hand, aber die richtigen Worte oder Akkorde wollen einfach nicht fließen. Egal, wie sehr Du dich anstrengst, es fühlt sich an, als wäre das heute einfach nicht der Tag. Keine Sorge, Du bist nicht der einzige dem es so geht! Viel Musiker*innen, sogar die erfolgreichsten, hatten und haben mit Schreibblockaden zu kämpfen.
Jeff Tweedy, Frontmann der Band Wilco, beschreibt in seinem Buch "How to Write One Song", dass Kreativität oft als etwas Mystisches angesehen wird, aber eigentlich viel mehr mit Übung und Durchhaltevermögen zu tun hat:
"Creativity isn’t a mystical, mythical power - it’s a practice."
Diese Sichtweise nimmt etwas von dem Druck, immer sofort brillante Ideen haben zu müssen. Songwriting ist ein Prozess, und manchmal kommt dabei eine Phase, in der Du einfach nicht weiterkommst. Doch zum Glück gibt es eine Vielzahl an Techniken, die Dir helfen können, Deine kreative Blockade zu überwinden. Bevor wir diese vorstellen, schauen wir jedoch zunächst noch etwas genauer auf die Entstehung und Ursachen für eine Blockade.
Was sind die Ursachen für eine Schreibblockade?
Schreibblockaden können viele verschiedene Ursachen haben, und oft sind sie nicht so offensichtlich, wie man vielleicht denkt. Wie bei den meisten Dingen ist es zuerst einmal wichtig, zu verstehen, warum Du feststeckst, bevor Du den Weg heraus findest. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Arten von Faktoren:
Innere (mentale und emotionale) Faktoren
Stress, Selbstzweifel und Druck können Dich komplett blockieren. Wenn Du das Gefühl hast, dass alles, was Du schreibst, „nicht gut genug“ ist, fällt es schwer, überhaupt etwas zu Papier zu bringen. Diese innere Kritik oder Perfektionismus ist einer der größten Feinde von Kreativität. Du fragst dich vielleicht: "Wird das überhaupt jemand gut finden? Wird es gut genug sein? Wird sich überhaupt jemand das anhören?" Diese Fragen machen den Prozess oft komplizierter, als er sein sollte.
Drummer, Producer und DJ, Questlove spricht in seinem Buch "Creative Quest" darüber, wie diese Erwartungshaltung eine große Rolle bei kreativen Blockaden spielt:
"Sometimes the block isn’t about creativity—it’s about expectation."
Die Erwartung, sofort etwas “Geniales” schaffen zu müssen, kann dich blockieren. Hier hilft es, den Druck herauszunehmen und den Prozess mehr als Experiment zu sehen.
Äußere Faktoren
Neben den emotionalen Gründen gibt es auch viele äußere Faktoren, die Schreibblockaden verursachen können: Zeitmangel durch Alltagsverpflichtungen, Medienkonsum (vor allem Social Media) oder andere Faktoren in Deiner Außenwelt, die Dich einnehmen und ggf. belasten. Dadurch fühlst Dich vielleicht ausgelaugt oder abgelenkt, und das lässt Dir wenig oder keinen Raum für Kreativität.
Rick Rubin erklärt in seinem Buch "The Creative Act", dass es oft darum geht, die richtigen Bedingungen zu schaffen, um Kreativität zuzulassen:
"Inspiration doesn’t always come from waiting - it comes from creating the conditions for it."
Manchmal bedeutet das, dass Du Dir bewusst Zeit freischaufeln musst (Stichwort Timeboxing), um in den kreativen Fluss zu kommen.
Praktische Tipps und Techniken zur Lösung und Überwindung einer Schreibblockade
Wenn Du mitten in einer Schreibblockade steckst, ist das in der Regel ziemlich frustrierend. Aber keine Sorge, es gibt eine Reihe von bewährten Techniken, die Dir helfen können, wieder in den kreativen Flow zu kommen. Hier sind einige Ansätze, die von erfahrenen Musiker*innen, Songwriter*innen und Artist Coaches empfohlen werden:
1. Freies Schreiben
Eine der besten Methoden, um den Kopf freizubekommen und den Bewusstseinsstrom (engl. stream of consciousness) zu aktivieren, ist freies Schreiben. Setze Dir eine Zeitvorgabe, z.B. 10 Minuten, und schreibe einfach alles auf, was Dir in den Sinn kommt. Es geht nicht darum, etwas Perfektes zu schaffen, sondern nur darum, die Gedanken in Bewegung zu bringen. Keine Zensur, keine Korrekturen – einfach alles was Dir in den Sinn kommt entweichen lassen.
Pat Pattison erklärt in "Writing Better Lyrics", dass freies Schreiben nicht nur hilft, Blockaden zu lösen, sondern auch Dein Gefühl für Worte und Phrasen schärft:
"The goal is to bypass the inner critic and access your subconscious - where the real creativity happens."
2. Kreative Einschränkungen
Es mag widersprüchlich klingen, aber manchmal kann das Setzen von Grenzen Deiner Kreativität einen enormen Schub geben. Indem Du Dich z.B. nur auf drei Akkorde beschränkst oder auf ein bestimmtes Thema, schaffst Du Dir einen Rahmen, innerhalb dessen Grenzen es Dir leichter fällt, kreativ zu werden. Wenn Du zu viele Möglichkeiten hast, kann das überwältigend sein – eine Einschränkung kann helfen, den Fokus zu finden.
Jeff Tweedy spricht in "How to Write One Song" über die Kraft, sich selbst zu Limitieren:
"When you limit your options, you force yourself to be more resourceful. That’s when magic can happen."
3. Bewegung
Manchmal ist es am besten, den Stift oder das Instrument beiseite zu legen und ein Spaziergang zu machen. Auch ein Workout oder einfach ein Moment der Entspannung kann Wunder wirken. Bewegung (besonders in der Natur) hilft dabei, den Kopf freizubekommen und Raum für frische Ideen freizumachen.
Rick Rubin schreibt in "The Creative Act", dass oft der Abstand vom kreativen Prozess neue Perspektiven ermöglicht:
"When you step away from the problem, you often return with a solution."
4. Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen
Wenn Du alleine nicht weiterkommst, kann es immer hilfreich sein, den kreativen Prozess mit anderen zu teilen. Eine Kollaboration mit anderen Musiker*innen kann Dir neue Perspektiven und Ideen liefern, auf die Du alleine vielleicht nicht gekommen wärst. Jeder bringt seine eigenen Einflüsse und Erfahrungen mit, was Dir den Impuls geben, den Du brauchst.
Wie Rubin in seinem Buch schreibt:
"Collaborating can unlock doors that working alone keeps shut."
5. Neuer künstlerischer Input von außen
Wenn Du das Gefühl hast, in einer kreativen Sackgasse zu stecken, kann es helfen, Dich von anderen Kunstformen inspirieren zu lassen. Lies ein Buch, schau einen Film, geh ins Museum oder hör Dir Musik an, die ganz anders ist als das, was Du normalerweise machst. Diese neuen Eindrücke können frische Ideen in Dir wecken.
Rick Rubin beschreibt in "The Creative Act", dass Inspiration nicht immer von selbst kommt, sondern aktiv durch neue Einflüsse und Erlebnisse angestoßen werden kann:
"Inspiration doesn’t always come from waiting - it comes from creating the conditions for it."
Auch Questlove in "Creative Quest" empfiehlt, bewusst nach neuer Inspiration zu suchen:
"The best way to get out of a rut is to immerse yourself in something completely different."
6. Neue Sounds und Instrumente
Eine der besten Möglichkeiten, um neue kreative Wege zu entdecken, ist das Experimentieren mit Sounds und Instrumenten, die Du normalerweise nicht benutzt. Probiere neue Effekte oder Plugins, ungewöhnliche Akkordfolgen oder ein Instrument, das du noch nie in Deinen Songs verwendet hast. Durch den ungewöhnlichen Klang entstehen oft neue Melodien und Ideen.
Pat Pattison schreibt in seinem Buch "Writing Better Lyrics", dass unerwartete Klänge und Rhythmen oft dazu führen, dass Du Deine Songs aus einer neuen Perspektive siehst und dich von festgefahrenen Mustern löst.
7. Wortspiele und Assoziationstechniken
Wenn Dir die Worte fehlen, probiere doch mal Assoziationstechniken aus. Schreibe ein Wort auf, das Dir in den Sinn kommt, und schreibe dann alles auf, was du damit verbindest. Diese Kette an Ideen kann oft zu überraschenden und interessanten lyrischen Ansätzen führen. Auch das Verwenden von Synonymen oder Reimwörterbüchern kann Dir helfen, den Schreibprozess in Gang zu setzen.
8. Den Zufallsfaktor nutzen
Manchmal ist der beste Weg, die Kontrolle loszulassen und den Zufall mitentscheiden zu lassen. Versuche, zufällig Noten oder Wörter auszuwählen, und baue darum herum Deinen Song oder einen Teil davon auf. Jeff Tweedy beschreibt in "How to Write One Song", dass diese Methode oft den ersten Impuls für einen neuen Song geben kann, den man dann weiterentwickelt:
"It’s not about creating something perfect from the start—it’s about getting something started."
9. Kreative Rituale
Viele erfolgreiche Songwriter*innen schwören auf feste Rituale. Ob es darum geht, jeden Morgen ein paar Minuten frei zu schreiben oder sich regelmäßig hinzusetzen, um am Instrument zu spielen – eine Routine schafft die Grundlage für kontinuierliche Kreativität. Jeff Tweedy schreibt in "How to Write One Song", dass er jeden Tag einen festen Zeitraum für das Komponieren reserviert, egal ob er inspiriert ist oder nicht:
"Inspiration comes from doing the work. You can’t wait for it to show up."
10. Erreichbare Ziele setzen
Wenn Du Dich auf kleine Erfolge konzentrierst, baust Du allmählich Momentum auf. Anstatt Dir vorzunehmen, „den perfekten Song“ zu schreiben, kannst Du Dir kleinere Ziele setzen – zum Beispiel jeden Tag eine Zeile oder eine Melodie-Idee zu entwickeln. Diese kleinen Schritte summieren sich und führen oft zu größeren Durchbrüchen.
Rick Rubin spricht in "The Creative Act" darüber, wie wichtig es ist, den Prozess in kleine, machbare Schritte zu unterteilen, um nicht von der Größe des Ziels überwältigt zu werden:
"The act of creating is not about reaching the summit—it’s about taking one step at a time and being present in the process."
11. Fehler zulassen
Eine der größten Hürden für Kreativität ist der Druck, sofort etwas Perfektes erschaffen zu müssen. Questlove schreibt darüber dass der kreative Prozess oft chaotisch ist und Fehler ein wichtiger Teil davon sind:
"If you're not making mistakes, you're probably not pushing yourself enough."
Durch das Zulassen von Fehlern kommen oft unerwartete Ideen. Schreibe alles auf, auch wenn es zunächst unvollständig oder unreif wirkt – aus diesen Skizzen können später gute Songs entstehen.
12. Pausen machen
Kreativität ist wie ein Muskel – sie braucht Pflege und Erholung. Achte darauf, Dir regelmäßig Auszeiten zu gönnen, in denen Du einfach mal nichts machst, sondern Dich einfach von Dingen inspirieren lässt. Ob es ein Buch ist, ein Film oder ein Konzertbesuch – diese „Aufladephasen“ sind genauso wichtig wie das aktive Songwriting. Meistens kommt der Impuls für etwas Neues dann von ganz allein.
13. Kreativer Kartentrick
Eine letzter Tipp, der Dir dabei helfen kann, wenn Du feststeckst, sind Brian Eno’s ”Oblique Strategies”. Das ist eine Sammlung von Karten, auf denen kryptische Aussagen und Anweisungen stehen, wie z.B. "Versuche es rückwärts” oder „Ändere den Rhythmus“. Diese Anweisungen bzw. Denkanstöße sollen Dir dabei helfen, Denkmuster zu durchbrechen und neue Ideen zu finden. Wenn Du nicht weiter kommst, ziehe einfach eine Karte und folge der Anweisung, ohne groß darüber nachzudenken. Diese unkonventionellen Ansätze können oft genau der Funke sein, den Du brauchst, um weiterzukommen. Natürlich kannst dir solche Anweisungen auch selbst zusammenstellen und dir eigene Denkanstöße überlegen.
Mit den genannten Tipps und Techniken lassen sich Schreibblockaden lösen, überwinden und sie in Zukunft vielleicht sogar ganz vermeiden. Versuche, Dir einen gesunden kreativen Rhythmus anzueignen und sei nachsichtig mit der selbst, wenn es mal nicht so läuft oder du feststeckst.
Zu guter letzt: Blockaden sind normal
Am Ende des Tages hat jeder kreative Mensch irgendwann mit einer Blockade zu kämpfen – und das ist völlig normal. Der Schlüssel ist, die Schreibblockade nicht als Hindernis zu sehen, sondern als Teil des kreativen Prozesses. Es gibt unzählige Wege, um wieder in den “Flow” zu kommen, und manchmal bedeutet das einfach, sich Zeit zu geben und den Druck loszulassen.
Pat Pattison fasst es in "Writing Better Lyrics" treffend zusammen:
"The key is not to avoid the block, but to find ways through it."
Und wer könnte das besser ausdrücken als David Bowie, der selbst in seiner Zusammenarbeit mit Brian Eno oft kreative Wege jenseits des Gewohnten beschritten hat? David Bowie:
"Always go a little further into the water than you feel you’re capable of being in. Go a little bit out of your depth, and when you don’t feel that your feet are quite touching the bottom, you’re just about in the right place to do something exciting."
Am wichtigsten ist aber: Lass Dich nicht entmutigen! Jeder Songwriter*in – von den größten Legenden bis hin zu denjenigen, die gerade erst anfangen – kämpft ab und zu mit kreativen Blockaden. Doch mit den richtigen Techniken, Geduld und der Bereitschaft, Fehler zu machen, wirst Du Deinen Weg zurück in den kreativen Flow finden.
Quellen:
- "Writing Better Lyrics" – Pat Pattison
- "How to Write One Song" – Jeff Tweedy
- "The Creative Act: A Way of Being" – Rick Rubin
- "Creative Quest" – Questlove
- Brian Enos Oblique Strategies – Sammlung kreativer Anweisungen
- David Bowie BBC Interview 1997
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